In die Herzen gespielt und gewonnen
Jugendblasorchester wird zum Verein des Jahres 2020 gekürt
Staßfurt l Ganz traurig fing der Corona-Frühling 2020 an, ganz besonders für Bewohner von Altenpflegeheimen, die plötzlich keinen Besuch mehr empfangen durften.
Doch dann kamen die Mitglieder des Jugendblasorchesters (JBO) Staßfurt und erfreuten immer mal wieder mit ihren Klängen. Dirigent Peter Roskoden erzählt, wie es begann. „Eine Bekannte bat uns um ein Geburtstagsständchen für ihre Oma. Ihr tat es so leid, dass sie keinen Besuch empfangen durfte.“
Roskoden überlegte nicht lange und spielte mit Philipp Uta das gewünschte Ständchen – der Dirigent mit dem Tenorhorn, der Schüler des Musikgymnasiums Latina auf der Tuba. Dieser Auftritt auf dem Hof besagter Einrichtung der Stiftung Staßfurter Waisenhauses war die Premiere einer Reihe ungeplanter Auftritte des JBO, das schließlich mit einigen Mitgliedern im ganzen Salzlandkreis die Herzen erwärmte. Überwiegend als Duo waren sie unterwegs. Philipps Schule war geschlossen. Peters Studium der Musikwissenschaften in Leipzig lief über den Äther.
Deshalb war es ihnen nun auch zeitlich möglich, zwischen Aschersleben und Schönebeck, Güsten und Hecklingen auf Tournee zu gehen – ihre Möglichkeit, Abwechslung zu bieten, hatte sich alsbald herumgesprochen in den Altenheimen. Und so kamen die beiden auf bis zu fünf Auftritte täglich.
„Es war auch für uns bewegend“, so der 26-jährige Dirigent. „Die Senioren sangen meist schnell mit. Manchmal gab‘s sogar Beschwerden, wenn wir eine Strophe zu wenig spielten.“ Und vor allem berührend sei es gewesen. Das Pflegepersonal erzählte ihnen unter anderem von Dementen, die kaum noch sprechen, aber plötzlich mitsangen, als die Blasmusik vom Hof durch die geöffneten Fenster erklang.
„Passanten blieben stehen. Im Garten des Caritaspflegeheims in Staßfurt bekamen wir sogar zusätzlich Applaus von der benachbarten Polizei.“
Für den Ostdeutschen Sparkassenverband war es nun ausschlaggebend bei der Unternehmer-Preisverleihung, dem Jugendblasorchester Staßfurt den Titel in der Kategorie Verein des Jahres 2020 zu verleihen. „Sie haben das Beste aus der Situation gemacht, rasch reagiert, Geschäftsmodelle umgestellt und geholfen“, heißt es in der Laudatio für alle drei Kategorien. Als Unternehmen des Jahres wurde die Hasomed GmbH Magdeburg für eine Software geehrt, die Physiotherapiepläne individuell anwendbar macht. In der Kategorie Kommune des Jahres gewann Gardelegen, weil die Stadt zum Beispiel schnell einen Einkaufsservice organisierte oder auf Sondernutzungsgebühren für Straßencafés verzichtete. Speziell zum Staßfurter Ensemble hieß es noch: „Auf Corona haben sich die Sieger eingestellt.“
Materiell ist es für die Musiker vom JBO „nicht mehr als Ruhm und Ehre“, wie Peter Roskoden den Titel vorsichtig aus seiner Sicht beschreibt. Aber er betont, dass „Gage“ in diesem Falle keine Frage war. „Wir haben das gemacht, weil es den Senioren Freude bereitet.“ Und gerne wird man auch in der Weihnachtszeit an die zahlreichen guten Taten anknüpfen.
Immerhin hatte das Jugendblasorchester in diesem Jahr rund 30 größere Auftritte geplant. Drei wurden es schließlich nur. Einige Termine wurden voller Hoffnung nun auf das nächste Jahr verschoben, wie beispielsweise zur 1050-Jahr-Feier in Güsten. Oder: Die Tickets vom Weihnachtskonzert gelten für das Frühjahrskonzert. Die Planung für 2021 läuft jedenfalls, wenn auch vorsichtig. Ganz große Hoffnung setzt das JBO anlässlich seines dann 30-jährigen Bestehens auf die Ostsee-Tour im Juli.
Einen Tipp hat Peter Roskoden noch: „Den Film über unsere Aktion auf Youtube ansehen – sehr emotional. Wer da keine Träne vergießt, hat ein Herz aus Stein.“
Der Film läuft im „Netz“: https://www.youtube.com/watch?v=SYZJBuFDCxs. JBO-Fanartikel gibt‘s im „Guten Buch“ Staßfurt, in Atzendorf (Bauer Hauser und Küchenstudio Richter) und bei Peter Roskoden (0176/24 65 00 83).
Quelle: Volksstimme vom 15.12.2020